Niemand wird als Führungskraft geboren. Wenige Berufseinsteiger nehmen sich vor, CEO eines Unternehmens zu werden. Mehr Mitarbeitende entfalten später im Job ihre Führungskraft. Und zugleich möchten immer weniger Mitarbeitende Führungskraft werden, wie zahlreiche Umfragen in den letzten Jahren ermittelt haben (z.B. die Boston Consulting Group 2021). Ist die Chefrolle ein Auslaufmodell? Nein!
Unternehmen müssen Führung anders definieren und umsetzen: Netzwerk statt Silos in einer Hierarchie. Und Führungskräfte sind anders zu entwickeln: Mehr Praxis statt Theorie.
Zum Gelingen hilft zunächst ein Blick auf die Faktoren, die Mitarbeitende an der Übernahme einer Führungsfunktion hindern. Studien haben zusammenfassend folgende Themenfelder ermittelt, die in Unternehmen unterschiedlich relevant und ausgeprägt sein können:
Hoher Erwartungsdruck – Die verschiedenen Führungsrollen können schnell überfordern. Das merken Mitarbeitende an den eigenen Führungskräften, die nicht immer und nicht alle Rollen, die diese übernehmen sollen, auch erfüllen. Und die digitale Transformation steigert die Anforderungen an Führungskräfte. Zugleich ist das bestehende Geschäft zu managen und neue Geschäftsprozesse und -modelle zu etablieren.
Unklares Rollenverständnis – Das Scheitern an den Erwartungen hängt häufig an den vielfältigen Rollen, die Führungskräfte heutzutage übernehmen können. Noch immer beziehen sich Jobbeschreibungen vor allem auf die traditionellen Funktionen, wie der Entscheider mit einer spezifischen operativen Verantwortung. Unklar bleibt, wie die vielen informellen Rollen (wie Netzwerker, Brückenbauer, ... ), die nicht direkt operative Ergebnisse liefern, betrachtet werden.
Geringer Gestaltungsraum – In der Führungsfunktion sind die Aufgaben meist klar beschrieben und dadurch auch abgegrenzt. Vieles, was als Mitarbeitende möglich war, zum Beispiel in operativen Projekten, fällt als Führungskraft aufgrund der Führungsaufgaben weg. Der Karriereweg wird erkennbarer und zugleich begrenzter.
Ständige Machtspiele – Schließlich bedeutet Führung immer auch Konkurrenz, um Ressourcen oder auch Aufmerksamkeit. Besonders wenn Macht in Organisationen nicht mehr allein hierarchisch definiert wird, werden unterschiedliche informelle Machtstrukturen relevant. Das Spiel wird so zur Daueraufgabe, der sich niemand entziehen kann.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, wie Mitarbeitende zur Führung geführt werden können?
Führung ist ein Handwerk
Handwerkerinnen und Handwerker drücken auch die Schulbank. Dabei sind sie sind stets an der Praxis orientiert, verknüpfen die Theorie mit ihrer Praxis in Unternehmen. In den Universitäten und Fachhochschulen ist das Thema Führung in den Wirtschaftswissenschaften jedoch kein Pflichtfach. Die meisten Berufseinsteiger und auch potenziellen Führungskräfte starten also bei Null. Die ersten Erfahrungen sammeln sie mit den eigenen Führungskräften in Unternehmen.
Die bekannten Aktivitäten im Talent Management sind die Basis zur Stärkung der Motivation der Mitarbeitenden, eine Aufgabe als Führungskraft zu übernehmen. Zu den Standards gehören zum Beispiel die Situations- und Bedarfsbestimmung und entsprechende Programm zur Talententwicklung. Diese Programme dürfen nicht mehr wasserfallartig über eine Organisation gekippt werden.
Wesentlich ist die Ergänzung durch ein Angebot flexibler Aktivitäten, die zur Reise als Führungskraft einladen und Freude wecken, mehr Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Die Anforderungen der Nachwuchses Generation Z & Co. schaffen die Grundlage: Beteiligung und Information, Transparenz und Akzeptanz
Auf Augenhöhe von Anbeginn
Fordern und fördern gehören beim Handwerk zusammen. Niederschwellige Angebote und Aktivitäten sorgen für den ersten Zugang zum Thema „Ich als Führungskraft“. Denn ein Unternehmen hat auch hier keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Hier drei Beispiele für kreative Methoden:
Revers Mentoring Reloaded – In einigen Unternehmen ist das Instrument etabliert. Der Nachwuchs bringt der älteren Generation die eigenen Denkweisen und Anforderungen näher, um ein gemeinsames Verständnis der gegenseitigen Anforderungen zu bekommen. Reloaded meint, die jungen Mentoren gehen einen Schritt weiter. Sie antizipieren, wie sie selbst mit den bestehenden Anforderungen als Führungskraft umgehen würden, welche Rollen sie sofort gerne übernehmen würden und für welche Rollen weitere Unterstützung wichtig wäre. Im Ergebnis wird für den Nachwuchs deutlich, Führung erfordert Engagement und ist kein Hexenwerk.
Check it out – Die spielerische Reflexion wird vertieft. Es geht um die Dos und Dont´s als Führungskraft. Eine Liste wird erstellt für die eigene Person, als Spickzettel wenn man morgen als Führungskraft einsteigen würde. Diese Liste wird in der eigenen Peer-Group geteilt, zum Beispiel in einer Abteilung oder an einem Standort. Dadurch entsteht ein Dialog, der am besten moderiert wird, wie die Führungsrolle ausgefüllt werden kann, welches Verhalten vorteilhaft oder weniger tauglich wäre. Die Hemmschwelle, das Thema Führungskraft positiv zu betrachten, sinkt weiter.
Eine Woche als ... – In einem Testumfeld übernimmt der Mitarbeitende (teilweise) die Rolle und Aufgaben der Führungskraft, zum Beispiel in Projekten. Im Handwerk übernimmt der Lehrling ausgewählte Aufgaben des Meisters, bei Kunden oder auch in der Werkstatt. Nach der Woche werden gemeinsam die Erfahrungen betrachtet, wie die Rollen ausgefüllt wurden. Dazu gehören alle Beteiligten, Mitarbeitende und Führungskräfte, erneut am besten als moderierten Prozess. Auch die aktuelle Führungskraft vom Mitarbeitenden lernen kann aus dessen Erfahrungen.
Unternehmen können mit einer kreativen Führungskräfteentwicklung im Talent Management bei den Mitarbeitenden die Lust am Führen zu wecken, damit diese das eigene Talent als Führungskraft entdecken. Mit Begeisterung fällt jedes Handwerk Führung im digitalen Zeitalter leichter als man denkt.